Stellen Sie sich vor, Ihre Wohnungseigentümergemeinschaft muss dringend das Dach sanieren. Die Kosten liegen bei 15.000 Euro pro Wohnung. Eine physische Versammlung einzuberufen, dauert mindestens vier Wochen. In der Zeit läuft die Zeit für günstige Angebote ab, der Winter kommt, und das Leck wird größer. Was tun? Seit 2020 gibt es eine Lösung, die viele noch nicht richtig nutzen: den Umlaufbeschluss. Und seit Oktober 2024 ist auch die Online-Versammlung offiziell als reguläre Alternative zur physischen Versammlung erlaubt. In 2025 ist das kein Experiment mehr - es ist Standard. Aber nur, wenn Sie es richtig machen.
Was ist ein Umlaufbeschluss - und warum ist er so wichtig?
Ein Umlaufbeschluss ist eine Entscheidung, die ohne Versammlung getroffen wird. Die Hausverwaltung sendet eine Beschlussvorlage per E-Mail, WhatsApp oder über eine digitale Plattform an alle Eigentümer. Jeder kann dann schriftlich „Ja“, „Nein“ oder „Enthaltung“ abgeben. Das ist nicht nur bequem - es ist schneller, transparenter und oft erfolgreicher als eine physische Versammlung.
Früher musste jeder Eigentümer zustimmen. Ein einziger Nein-Stimme hat alles blockiert. Das war realistisch - aber unpraktisch. Seit der WEG-Reform 2020 können Sie vorab beschließen, dass im Umlaufverfahren nicht Einstimmigkeit, sondern Mehrheit der abgegebenen Stimmen ausreicht. Das ist der größte Durchbruch seit Jahren. In einer Gemeinschaft mit 20 Parteien bedeutet das: Wenn 15 abstimmen und 8 davon ja sagen, ist der Beschluss gültig. Die anderen 5, die nicht antworten, zählen nicht als Nein. Sie zählen einfach nicht.
Diese Regelung hat die Anzahl der erfolgreichen Umlaufbeschlüsse von 35 % im Jahr 2021 auf 78 % im Jahr 2024 hochgeschraubt. Heute ist jeder dritte WEG-Beschluss digital. Und 2025 wird es noch mehr.
Wie funktioniert ein Umlaufbeschluss - Schritt für Schritt
Ein Umlaufbeschluss ist nicht einfach eine WhatsApp-Nachricht mit „Dach sanieren - wer ist dafür?“. Es ist ein rechtlich bindendes Verfahren mit klaren Regeln. Hier, wie es richtig läuft:
- Beschlussvorlage erstellen: Die Hausverwaltung formuliert den genauen Wortlaut des Beschlusses. Nicht: „Wir brauchen ein neues Dach.“ Sondern: „Die Gemeinschaft beschließt, die Dachsanierung mit den Angeboten von Firma A (14.800 €) und Firma B (15.200 €) durchzuführen, wobei Firma A aufgrund der besseren Garantie bevorzugt wird.“
- Kostenrahmen nennen: Wenn die Kosten pro Wohnung über 1.000 Euro liegen, muss die Frist mindestens 14 Tage betragen. Bei einfachen Beschlüssen (z. B. neue Briefkästen) reichen 7 Tage.
- Form der Kommunikation festlegen: Erlaubt sind E-Mail, WhatsApp, SMS oder spezielle WEG-Plattformen wie vBeschluss oder prop.id. Wichtig: Es muss Textform sein. Ein Video-Call oder ein Post auf Facebook reicht nicht.
- Identifikation sicherstellen: Wer antwortet, muss eindeutig identifizierbar sein. Bei WhatsApp muss die Nummer im Grundbuch eingetragen sein. Bei E-Mail muss die Absenderadresse mit dem Eigentümer übereinstimmen.
- Stimmen dokumentieren: Jede Antwort muss mit Zeitstempel, Name des Eigentümers und klarem Votum gespeichert werden. Enthaltungen zählen nicht als Zustimmung. Und: Änderungen sind bis zur Fristende erlaubt. Wer zuerst „Ja“ sagt und später „Nein“, hat sein letztes Votum.
- Frist abwarten und auswerten: Nach Ablauf der Frist zählt die Hausverwaltung die Stimmen. Wenn die Mehrheit der abgegebenen Stimmen „Ja“ sagt, ist der Beschluss gültig.
Die meisten Hausverwalter nutzen heute Software. 87 % der professionellen Verwaltungen arbeiten mit Plattformen wie vBeschluss oder prop.id. Die sparen Zeit, verhindern Fehler und archivieren alles automatisch - und das ist entscheidend, denn 78 % der Anfechtungen von digitalen Beschlüssen passieren wegen fehlender Dokumentation.
Online-Versammlungen: Was ist erlaubt, was nicht?
Was, wenn Sie nicht nur einen Beschluss fassen, sondern auch diskutieren wollen? Dann brauchen Sie eine Online-Versammlung. Das ist kein Umlaufbeschluss. Das ist eine echte Versammlung - nur virtuell.
Die Regeln sind strenger:
- Die Zustimmung zur Online-Versammlung muss mit 75 % der Stimmen im Grundbuch beschlossen werden.
- Dieser Beschluss läuft alle drei Jahre ab. Danach muss er erneut beschlossen werden.
- Die Plattform muss Ende-zu-Ende-verschlüsselt sein. WhatsApp-Gruppen oder Zoom ohne Passwort reichen nicht.
- Es muss eine Teilnehmerliste mit elektronischer Unterschrift geben.
- Alle Abstimmungen müssen in Echtzeit protokolliert werden.
Seit dem 17. Oktober 2024 ist diese Form offiziell als Alternative zur physischen Versammlung anerkannt. Das bedeutet: Sie können eine Versammlung nicht mehr einfach absagen, weil „niemand kommen kann“. Sie müssen entweder eine digitale anbieten - oder sie stattfinden lassen.
Die Teilnahmequote liegt bei Online-Versammlungen bei 55-70 %. Das ist weniger als bei Umlaufbeschlüssen (85-95 %), aber höher als bei physischen Versammlungen (45-60 %). Der Grund: Wer keine Zeit hat, kommt nicht. Aber wer online ist, kann oft leichter mitmachen - besonders wenn er krank, im Urlaub oder mobil eingeschränkt ist.
Plattformen im Vergleich: Was lohnt sich?
Nicht jede Plattform ist gleich. Hier die drei wichtigsten Anbieter und was sie wirklich können:
| Plattform | Kosten (ab) | Max. Eigentümer | Dokumentation | Benutzerfreundlichkeit | DSGVO-konform |
|---|---|---|---|---|---|
| vBeschluss | 19,90 €/Monat | unbegrenzt | Automatisch, lückenlos, mit Zeitstempel | 4,8/5 | Ja (ISO/IEC 27001:2022) |
| prop.id | 0,99 €/Eigentümer/Monat (ab 21) | unbegrenzt | Automatisch, mit KI-Prüfung ab 2025 | 4,7/5 | Ja |
| E-Mail/WhatsApp | 0 € | unbegrenzt | Manuell, fehleranfällig | 3,2/5 | Ja, aber nicht nachweisbar |
Die Kosten für prop.id sind besonders attraktiv für kleine WEGs: Bis zu 20 Eigentümer ist es kostenlos. Danach zahlen Sie nur knapp einen Euro pro Person. vBeschluss ist teurer, aber robuster - ideal für größere Gemeinschaften. E-Mail und WhatsApp sind zwar kostenlos, aber riskant. 62 % der Verwalter, die sie nutzen, berichten von Dokumentationsproblemen. Und wenn ein Eigentümer später sagt: „Ich hab das gar nicht gewusst“, ist der Beschluss anfechtbar.
Die größten Fehler - und wie Sie sie vermeiden
Die meisten Probleme entstehen nicht durch das Gesetz - sondern durch Unwissenheit.
- Fehler 1: Keine klare Beschlussvorlage. „Wir machen was“ ist kein Beschluss. Der Text muss konkret sein: Was, wann, wie viel, mit wem?
- Fehler 2: Frist zu kurz. Bei Sanierungen über 1.000 € pro Wohnung müssen 14 Tage liegen. Wer 7 Tage gibt, riskiert eine Anfechtung.
- Fehler 3: Keine Identifikation. Wer per WhatsApp antwortet, muss als Eigentümer identifizierbar sein. Eine Nummer, die nicht im Grundbuch steht, zählt nicht.
- Fehler 4: Keine Dokumentation. Wenn Sie nicht jede Antwort speichern, ist der Beschluss nicht beweisbar. Und das bedeutet: Er kann vor Gericht aufgehoben werden.
- Fehler 5: Ältere Eigentümer ignorieren. 32 % der Eigentümer über 65 haben Schwierigkeiten mit digitalen Verfahren. Wer sie nicht unterstützt, macht sich strafbar - denn die Teilnahme muss für alle möglich sein. Bieten Sie telefonische Unterstützung an. Oder einen Brief mit Antwortkarte.
Die Anfechtungsrate bei digitalen Umlaufbeschlüssen liegt bei 4,2 %. Das ist zwar höher als bei physischen Versammlungen (2,8 %), aber die Ursachen sind klar: 78 % der Anfechtungen gehen auf fehlende Identifikation oder Dokumentation zurück. Das ist vermeidbar.
Was kommt 2025? Die Zukunft der WEG
Die Bundesregierung arbeitet am „WEG-Digitalisierungs-Gesetz 2025“. Der Kabinettbeschluss vom 5. November 2024 ist schon da. Und er bringt zwei große Änderungen:
- Keine Einstimmigkeit mehr bei dringenden Instandhaltungsmaßnahmen. Statt 100 % reicht ab 2025 eine qualifizierte Mehrheit von 75 %. Das bedeutet: Wenn das Dach einbricht, kann die Gemeinschaft nicht mehr von einem Einzelnen blockiert werden.
- Ein nationales digitales WEG-Register. Ab 2026 sollen alle Beschlüsse zentral gespeichert werden - ähnlich wie Grundbuchdaten. Das macht Anfechtungen noch schwieriger und die Rechtslage noch sicherer.
Technisch entwickeln sich die Plattformen weiter: prop.id führt im Januar 2025 Sprachsteuerung ein - für ältere Nutzer, die nicht tippen können. vBeschluss bietet ab März 2025 eine KI, die Beschlussvorlagen auf Rechtssicherheit prüft. Das ist kein Science-Fiction - das ist heute schon Realität.
Prognosen sagen: Bis 2027 werden 95 % aller WEG-Beschlüsse digital initiiert. 75 % davon werden Umlaufbeschlüsse sein. Die Ära der physischen Versammlungen als Standard ist vorbei. Die Frage ist nicht mehr „ob“, sondern „wie schnell“ Sie umsteigen.
Was tun, wenn Sie unsicher sind?
Wenn Sie Hausverwalter sind: Holen Sie sich die zertifizierte Schulung der HWV. 16 Stunden, 299 Euro - und Sie wissen, wie man es richtig macht. Wenn Sie Eigentümer sind: Fragen Sie Ihre Verwaltung, ob sie digitale Verfahren nutzt. Wenn nein: Fordern Sie es an. Sie haben das Recht darauf.
Die Technik ist da. Die Gesetze sind da. Die Erfahrungen sind da. Die einzige Hürde bleibt: Angst vor Veränderung. Aber die alte Methode - monatelange Wartezeiten, leere Sitzungssäle, blockierte Sanierungen - ist keine Lösung mehr. Sie ist ein Relikt.
2025 ist das Jahr, in dem digitale WEG-Beschlüsse nicht mehr die Ausnahme sind - sondern die Regel. Wer jetzt nicht umsteigt, verliert Zeit, Geld und Einfluss. Wer jetzt handelt, macht seine Gemeinschaft zukunftsfähig.
Kann ich einen Umlaufbeschluss per WhatsApp machen?
Ja, aber nur, wenn die WhatsApp-Nummer des Absenders im Grundbuch eingetragen ist und der Eigentümer bewusst und eindeutig „Ja“ oder „Nein“ schreibt. Ein „👍“ oder ein „Klar“ reicht nicht. Die Antwort muss als Textform dokumentierbar sein. Viele Verwalter nutzen WhatsApp, aber nur mit klaren Vorgaben - und immer mit einer parallelen Dokumentation auf der Plattform.
Was passiert, wenn jemand nicht antwortet?
Schweigen zählt nicht als Zustimmung. Es zählt gar nicht. Der Beschluss wird nur mit den abgegebenen Stimmen ausgewertet. Wenn 10 von 20 Eigentümern antworten und 6 davon ja sagen, ist der Beschluss gültig - vorausgesetzt, die Gemeinschaft hat vorab beschlossen, dass Mehrheit der abgegebenen Stimmen ausreicht. Die anderen 10, die nicht antworten, haben keinen Einfluss.
Muss ich eine Online-Versammlung immer anbieten, wenn ich eine physische absage?
Ja. Seit dem 17. Oktober 2024 ist eine physische Versammlung nur dann zulässig, wenn keine digitale Alternative angeboten wird. Wenn Sie eine Versammlung absagen, weil „keiner kommt“, müssen Sie stattdessen eine Online-Versammlung einberufen - und zwar mit der notwendigen 75%-Zustimmung, die vorab beschlossen wurde. Sonst ist die Versammlung rechtlich nicht gültig.
Kann ich einen Umlaufbeschluss anfechten?
Ja, aber nur, wenn formelle Fehler vorliegen: Frist zu kurz, keine Identifikation, fehlende Dokumentation, unklarer Wortlaut. Ein Beschluss, der nach den Regeln erstellt wurde, ist schwer anfechtbar. Die meisten Anfechtungen scheitern vor Gericht, weil die Verwaltung die Dokumentation vorlegen kann. Wer die Regeln einhält, hat kaum Angst vor Anfechtungen.
Ist eine digitale Abstimmung teurer als eine physische?
Nein - im Gegenteil. Eine physische Versammlung kostet mindestens 500-1.000 Euro für Raum, Druck, Protokoll und Zeit. Ein digitaler Umlaufbeschluss mit einer Plattform kostet zwischen 0 und 30 Euro pro Monat - und wird oft in weniger als einer Woche abgeschlossen. Die Einsparung liegt bei 80-90 %. Die einzigen Kosten sind die Zeit für die Vorbereitung und die Schulung der Eigentümer - aber die lohnen sich.
Was ist mit Eigentümern, die keine digitale Kompetenz haben?
Sie haben das Recht auf barrierefreien Zugang. Die Hausverwaltung muss Unterstützung anbieten: per Telefon, Brief oder persönlich. Einige Plattformen bieten sogar eine Sprach-App an, die älteren Nutzern vorliest, was sie wählen sollen. Wer digitale Verfahren einführt, darf niemanden zurücklassen - sonst verletzt er die Gleichbehandlungspflicht.