Nießbrauch im Erbfall bei Immobilien: Die besten Gestaltungsmodelle für Steuerersparnis und Wohnsicherheit

Nießbrauch im Erbfall bei Immobilien: Die besten Gestaltungsmodelle für Steuerersparnis und Wohnsicherheit
Lennart Schreiber 23 Dez 2025 0 Kommentare Recht und Gesetz

Wenn Sie Ihre Immobilie an Ihre Kinder übertragen wollen, aber weiterhin darin wohnen möchten, ist der Nießbrauch eine der effektivsten Lösungen in Deutschland. Kein anderes Instrument erlaubt es Ihnen, das Eigentum rechtssicher zu verschenken - und trotzdem Mieteinnahmen zu behalten, die Immobilie zu bewohnen und die Erbschaftssteuer drastisch zu senken. Doch viele machen den Fehler, es einfach so zu machen. Der Nießbrauch ist kein Standardvertrag. Er ist ein hochkomplexes Rechtsinstrument, das bei falscher Gestaltung zu Steuernachzahlungen, Verkaufsproblemen oder sogar Familienstreitigkeiten führen kann.

Was ist ein Nießbrauch im Erbfall?

Ein Nießbrauch ist ein persönliches Nutzungsrecht, das Ihnen erlaubt, fremdes Eigentum zu nutzen - und zwar so, als wären Sie der Eigentümer. Laut § 1030 BGB dürfen Sie die Immobilie bewohnen, vermieten, die Miete einziehen, den Garten pflegen, sogar einen Teil umbauen - solange Sie die Substanz nicht beschädigen. Das Eigentum selbst geht auf Ihre Kinder oder andere Erben über, aber Sie bleiben der Nutzer. Das Recht ist nicht vererbbar und erlischt mit Ihrem Tod. Es wird notariell beurkundet und im Grundbuch eingetragen. Das macht es gegenüber Dritten rechtlich bindend.

Warum ist das wichtig? Weil es die Steuerbasis verändert. Der Wert der Immobilie wird nicht mehr mit 100 % besteuert, sondern nur noch mit dem Wert, der nach Abzug des Nießbrauchs übrig bleibt. Bei einer 75-jährigen Person sinkt der steuerbare Wert oft um 45 %. Bei einer 80-Jährigen sogar um 60 %. Das bedeutet: Eine Immobilie im Wert von 500.000 Euro kann auf 200.000 Euro reduziert werden - und damit die Schenkungssteuer von 128.000 Euro auf 51.000 Euro fallen.

Die drei Hauptformen des Nießbrauchs im Erbfall

Nicht jeder Nießbrauch ist gleich. Es gibt drei Hauptvarianten, die je nach Ziel völlig unterschiedliche Wirkungen haben.

  • Vorbehaltsnießbrauch: Das ist die Standardvariante. Sie verschenken die Immobilie an Ihre Kinder, behalten aber das Nießbrauchrecht für sich. Ideal, wenn Sie weiterhin wohnen wollen und die Miete einnehmen. Der Nachteil: Die Immobilie wird schwerer verkaufbar, weil Käufer nur den Restwert kaufen - und nicht das volle Eigentum.
  • Zuwendungsnießbrauch: Hier übertragen Sie das Nießbrauchrecht nicht auf sich, sondern auf eine andere Person - etwa einen Bruder, eine Schwester oder einen Lebenspartner. Die Immobilie geht an Ihre Kinder, aber Ihr Bruder darf die Wohnung bewohnen und die Miete kassieren. Das ist nützlich, wenn Sie jemanden absichern wollen, der nicht Ihr direkter Erbe ist.
  • Vermächtnisnießbrauch: Dieser wird im Testament oder Erbvertrag festgelegt. Sie vererben die Immobilie an Ihre Kinder, aber verfügen gleichzeitig, dass Ihr Lebenspartner oder ein Pflegekind das Nießbrauchrecht erhält. Das ist besonders sinnvoll, wenn Sie Ihre Kinder als Haupterben sehen, aber jemand anderen langfristig absichern wollen.

Die meisten Familien entscheiden sich für den Vorbehaltsnießbrauch - einfach, weil er am einfachsten zu verstehen ist. Aber er ist nicht immer die beste Wahl. Wenn Sie planen, später zu ziehen oder die Immobilie verkaufen wollen, kann er zur Falle werden.

Wie wird der Wert des Nießbrauchs berechnet?

Der steuerliche Wert des Nießbrauchs hängt nicht vom Marktpreis ab, sondern von einer offiziellen Formel. Das Finanzamt verwendet die amtliche Wertminderungstabelle, die drei Faktoren berücksichtigt: Ihr Alter, die Dauer des Nießbrauchs (lebenslang oder befristet) und den aktuellen Zinssatz.

Seit Januar 2024 gilt ein Zinssatz von 0,6 %. Das ist ein wichtiger Punkt. Vorher lag er bei 0,9 %. Der niedrigere Zins macht den Nießbrauch wertvoller - weil das Finanzamt annimmt, dass die Früchte länger erhalten bleiben. Bei einer 70-Jährigen mit lebenslangem Nießbrauch beträgt der Wert jetzt etwa 45 % des Immobilienwerts. Bei einer 80-Jährigen sind es 60 %. Das ist ein deutlicher Anstieg gegenüber 2023.

Ein Beispiel: Eine Immobilie ist 600.000 Euro wert. Sie sind 72 Jahre alt. Der Nießbrauchwert beträgt 48 % - also 288.000 Euro. Der steuerbare Wert der Schenkung ist nur noch 312.000 Euro. Ohne Nießbrauch wären es 600.000 Euro. Bei Steuerklasse I (Kinder) sparen Sie damit fast 100.000 Euro Steuern.

Aber Vorsicht: Wenn Sie den Nießbrauchwert zu niedrig ansetzen, rechnet das Finanzamt den vollen Wert als Schenkung. Dann zahlen Sie die vollen Steuern - plus Nachzahlungen und Zinsen. Deshalb: Lassen Sie den Wert immer von einem Steuerberater berechnen. Keine Online-Rechner. Keine Schätzung. Nur professionelle Berechnung.

Eine Waage zeigt den steuerlichen Wert einer Immobilie mit abgezogenem Nießbrauch, dargestellt als Diagramm und Zinssatz von 0,6 %.

Warum ist der Nießbrauch besser als ein Wohnrecht?

Viele denken, ein Wohnrecht reicht aus. Das ist ein gefährlicher Irrtum.

Ein Wohnrecht (§ 1093 BGB) erlaubt nur das Wohnen. Sie dürfen die Wohnung betreten, schlafen, kochen - aber nicht vermieten. Keine Mieteinnahmen. Keine Nutzung als Kapitalanlage. Keine Möglichkeit, den Raum an einen Mieter zu vergeben, auch nicht an ein Familienmitglied. Das ist ein reines Verbot der wirtschaftlichen Nutzung.

Der Nießbrauch hingegen erlaubt alles: Wohnen, vermieten, Miete einziehen, Garten nutzen, Heizung wechseln, Balkon umbauen - solange Sie das Gebäude nicht beschädigen. Das macht ihn zu einem echten Vermögensinstrument. Sie können damit Ihre Rente aufbessern, ohne die Immobilie zu verkaufen.

Ein weiterer Vorteil: Ein Wohnrecht ist oft nicht im Grundbuch eingetragen. Es bleibt nur im Testament oder Vertrag. Das macht es unsicher. Ein Nießbrauch ist öffentlich eintragbar - und damit gegenüber Käufern, Banken oder Gläubigern rechtlich bindend.

Die größten Fallstricke - und wie Sie sie vermeiden

Die meisten Probleme entstehen nicht durch das Recht selbst, sondern durch schlechte Planung.

  • Verkaufsprobleme: Eine Immobilie mit Nießbrauch ist schwerer zu verkaufen. Käufer zahlen weniger, weil sie nicht sofort volle Verfügungsgewalt haben. Ein Nutzer berichtete, er musste seine Immobilie 30 % unter Wert verkaufen, weil die Tochter später ins Pflegeheim kam. Lösung: Vereinbaren Sie ein Vorkaufsrecht für die Erben. So können sie das Nießbrauchrecht abkaufen, wenn sie wollen.
  • Unklare Instandhaltung: Wer zahlt die Reparaturen? Wer macht den Dachausbau? Ohne klare Regelung im Vertrag entstehen Streitigkeiten. Lösung: Schreiben Sie im Vertrag fest, wer für welchen Aufwand verantwortlich ist. Typisch: Der Nießbrauchsberechtigte zahlt laufende Kosten (Heizung, Reparaturen unter 5.000 Euro), der Eigentümer große Investitionen (Dach, Fassade, Heizungssystem).
  • Falsche Berechnung: 28 % der Fälle scheitern an falschen Nießbrauchwerten. Ein Notar berechnet nicht immer richtig. Lassen Sie sich von zwei Experten unabhängig beraten - einen Notar und einen Steuerberater.
  • Keine Rücksicht auf Erben: Wenn Sie das Nießbrauchrecht auf sich nehmen, schränken Sie die Erben ein. Sie können nicht verkaufen, nicht hypotekieren, nicht umbauen. Lösung: Sprechen Sie offen mit Ihren Kindern. Machen Sie sie zu Mitgestaltern. Ein Vertrag, der alle einbindet, hält Familien zusammen.
Drei Wege führen von einem Haus weg – jeweils für verschiedene Nießbrauchsformen: Vorbehalt, Zuwendung und Vermächtnis.

Wie läuft die Umsetzung ab - Schritt für Schritt

Ein Nießbrauch ist kein Brief, den Sie unterschreiben. Es ist ein komplexer Prozess mit fünf Schritten:

  1. Immobilienbewertung: Ein Gutachter ermittelt den Marktwert. Kosten: 500-1.200 Euro. Nutzen Sie einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen.
  2. Nießbrauchwertberechnung: Ein Steuerberater berechnet den Wert nach der amtlichen Tabelle. Kosten: 300-800 Euro. Lassen Sie sich eine schriftliche Berechnung aushändigen.
  3. Notarielle Beurkundung: Der Notar erstellt den Vertrag. Er prüft die Rechtslage, formuliert den Nießbrauch korrekt, prüft die Erben. Kosten: 1.100-1.800 Euro, abhängig vom Immobilienwert.
  4. Grundbucheintrag: Der Notar reicht den Antrag beim Grundbuchamt ein. Die Wartezeit: 4-6 Monate. In dieser Zeit ist die Immobilie nicht vollständig übertragen.
  5. Steuererklärung: Sie müssen eine Schenkungssteuererklärung abgeben. Die Frist: 3 Monate nach Beurkundung. Fehlt sie, drohen Strafen.

Der gesamte Prozess dauert 6-9 Monate. Wer das nicht einkalkuliert, gerät unter Druck - und macht Fehler.

Wie sieht die Zukunft aus?

Der Nießbrauch ist kein vorübergehender Trend. Er ist ein stabiles Instrument der Nachlassplanung. Die Zahl der Vereinbarungen ist seit 2019 um 37 % gestiegen - von 28.500 auf 39.000 im Jahr 2023. Warum? Weil die Babyboomer in Rente gehen, Immobilienwerte steigen und die Erbschaftssteuerprogression immer schärfer wird.

Seit 2024 gilt ein neuer Zinssatz von 0,6 %. Das macht den Nießbrauch wertvoller - und damit attraktiver. Experten erwarten bis 2030 einen weiteren Anstieg von 25 %. Die Bundesregierung prüft sogar eine Vereinfachung der Berechnung - was die Nutzung noch leichter machen könnte.

Aber: Es gibt auch Gefahren. Der Präsident des Bundes der Steuerzahler warnt vor künstlich aufgeblähten Nießbrauchwerten. Das Finanzamt prüft immer strenger. Wer zu hohe Werte angibt, riskiert eine Steuernachforderung - mit Zinsen und Strafen. Deshalb: Nur mit Experten. Nie allein.

Wann ist der Nießbrauch die falsche Wahl?

Nicht jeder sollte ihn nutzen.

  • Wenn Sie planen, in den nächsten 5 Jahren umzuziehen - dann ist der Nießbrauch zu unflexibel.
  • Wenn Ihre Kinder die Immobilie sofort verkaufen wollen - dann ist das Nießbrauchrecht ein Hindernis.
  • Wenn Sie keine klaren Gespräche mit Ihren Erben führen können - dann entsteht Konflikt.
  • Wenn Ihre Immobilie unter 200.000 Euro wert ist - dann lohnt sich der Aufwand oft nicht.

Alternativen? Ein Wohnrecht ist einfacher, aber weniger wertvoll. Ein Teilverkauf mit Mietkaufoption ist flexibler, aber teurer. Ein Erbschaftsvertrag ohne Nießbrauch ist möglich - aber mit höherer Steuerlast.

Der Nießbrauch ist kein Allheilmittel. Aber er ist das mächtigste Werkzeug, das Sie haben, wenn Sie Ihre Immobilie an die nächste Generation weitergeben wollen - und dabei Ihre Lebensqualität bewahren.

Kann ich den Nießbrauch vererben?

Nein. Der Nießbrauch ist ein persönliches Recht und erlischt mit Ihrem Tod. Sie können ihn nicht in Ihr Testament einbauen. Wenn Sie wollen, dass jemand nach Ihrem Tod weiter wohnen darf, müssen Sie ihm ein Wohnrecht oder ein neues Nießbrauchrecht im Testament vererben - aber das ist ein neues Recht, kein Erbe des alten.

Was passiert, wenn ich ins Pflegeheim ziehe?

Sie verlieren nicht das Recht, aber Sie nutzen es nicht mehr. Sie können die Immobilie weiterhin vermieten und die Miete einziehen - auch wenn Sie nicht mehr dort wohnen. Viele nutzen das, um die Pflegekosten zu decken. Wichtig: Der Vertrag muss das ausdrücklich erlauben. Einige Notare schreiben das automatisch mit hinein.

Kann ich den Nießbrauch vorzeitig aufheben?

Ja - aber nur mit Einverständnis des Eigentümers. Wenn Ihre Kinder zustimmen, können Sie den Nießbrauch formell aufgeben. Das muss wieder notariell beurkundet und im Grundbuch gelöscht werden. Viele nutzen das, wenn sie in eine Pflegeeinrichtung ziehen und die Immobilie verkaufen wollen.

Ist der Nießbrauch auch für Mietwohnungen möglich?

Ja. Der Nießbrauch funktioniert genauso bei Eigentumswohnungen wie bei Einfamilienhäusern. Sie übertragen die Wohnung auf Ihre Kinder, behalten aber das Recht, sie zu bewohnen oder zu vermieten. Viele Senioren nutzen das, um ihre Rente aufzubessern, ohne ihre Wohnung zu verlassen.

Wie lange dauert die Grundbucheintragung?

Im Durchschnitt 4-6 Monate. Das ist der längste Teil des Prozesses. Grund: Die Ämter sind überlastet, die Unterlagen müssen geprüft werden. Sie können nichts beschleunigen - aber Sie können sicherstellen, dass alle Unterlagen vollständig und fehlerfrei sind. Ein Notar hilft dabei, Verzögerungen zu vermeiden.