Stell dir vor, deine Heizung weiß genau, wie warm es draußen ist - und passt sich automatisch an. Kein zu heißes Wohnzimmer, keine kalten Ecken, aber auch keine unnötige Energieverschwendung. Das ist kein Science-Fiction-Plot, das ist die Heizkurve. Und wenn sie richtig eingestellt ist, sparst du bis zu 150 Liter Heizöl pro Jahr - ohne deine Komfortzone zu opfern.
Was ist eine Heizkurve wirklich?
Die Heizkurve, auch Heizkennlinie genannt, ist die Regelung, die bestimmt, wie heiß das Wasser in deinen Heizkörpern werden muss, je nachdem, wie kalt es draußen ist. Sie verbindet die Außentemperatur mit der Vorlauftemperatur deiner Heizung. Wenn es draußen 10 Grad hat, brauchst du vielleicht nur 30 Grad im Vorlauf. Bei -10 Grad brauchst du 60 oder mehr. Die Heizkurve sorgt dafür, dass das genau so funktioniert - ohne dass du jeden Tag am Thermostat drehen musst.Fast jede moderne Heizung, egal ob Gas, Öl oder Wärmepumpe, hat diese Funktion. Laut dem Fachverband SHK ist sie in über 95 Prozent der neu installierten Anlagen in Österreich, Deutschland und der Schweiz Standard. Aber nur etwa 45 Prozent der Anlagen sind wirklich optimal eingestellt. Der Rest läuft entweder zu heiß - und verschwendet Energie - oder zu kalt - und lässt dich frieren.
Die drei Knöpfe, die deine Heizung steuern
Die Heizkurve hat drei Einstellparameter - und du musst sie nicht alle auf einmal verändern. Nimm dir Zeit. Jeder Schritt zählt.- Neigung (Steilheit): Wie stark reagiert die Heizung auf Kälte? Ein Wert von 1,5 bedeutet: Bei jedem Grad Kälter draußen steigt die Vorlauftemperatur um 1,5 Grad. Bei einem Wert von 2,0 ist die Reaktion viel stärker - typisch für alte Häuser mit großen Heizkörpern. Moderne, gut gedämmte Häuser brauchen oft nur 0,8 bis 1,2.
- Niveau (Parallelverschiebung): Das verschiebt die ganze Kurve nach oben oder unten. Wenn du das Niveau um 2 Grad senkst, sinkt die Vorlauftemperatur bei jeder Außentemperatur um 2 Grad. Das ist der einfachste Weg, um Energie zu sparen - aber nur, wenn das Haus nicht zu kalt wird.
- Soll-Raumtemperatur: Meist steht sie auf 20 °C. Das ist der Punkt, an dem die Heizkurve ihren Ausgang hat. Wenn du sie auf 22 °C stellst, wird die Heizung immer heißer laufen - auch wenn du nicht mehr Wärme brauchst.
Wichtig: Ändere immer nur einen Parameter auf einmal. Und immer nur in kleinen Schritten - maximal 0,1 bei der Neigung oder 1 °C beim Niveau. Dann warte mindestens zwei bis drei Tage, bevor du wieder etwas veränderst. Gebäude sind träge. Sie brauchen Zeit, um sich an neue Temperaturen zu gewöhnen.
Warum viele Heizkurven falsch stehen - und was das kostet
Eine Studie der Hochschule Ostwestfalen-Lippe aus 2021 hat gezeigt: In 68 Prozent der Fälle, in denen Hausbesitzer selbst die Heizkurve einstellen, ist sie zu hoch eingestellt. Das bedeutet: Deine Heizung läuft heißer, als nötig. Die Folge? Deine Heizkörper strahlen mehr Wärme ab, als du brauchst. Die Rohre verlieren mehr Energie. Und die Nachtabsenkung funktioniert nicht mehr - weil die Vorlauftemperatur so hoch ist, dass die Raumtemperatur auch bei Nacht nicht sinkt.Das ist kein kleiner Fehler. Bei einem Einfamilienhaus mit 2.500 Litern Heizöl pro Jahr bedeutet das eine Verschwendung von 100 bis 150 Litern - das sind 150 bis 250 Euro pro Jahr. Und das nur, weil jemand vor Jahren die Neigung auf 1,8 gestellt hat, obwohl das Haus gut gedämmt ist.
Und das ist kein Einzelfall. In Foren wie Heizung.de berichten 78 Prozent der Nutzer, die ihre Heizkurve optimiert haben, innerhalb von zwei Wochen eine spürbare Senkung der Heizkosten - oft um 10 bis 12 Prozent. Ein Nutzer schrieb: „Nach der Optimierung sank mein Gasverbrauch um 12 Prozent im Vergleich zum Vorjahr - und ich friere nicht.“
Wie du die Heizkurve Schritt für Schritt optimierst
Hier ist ein praktischer 4-Schritte-Plan, wie du es richtig machst - und nicht wie die meisten es falsch machen.- Starte mit dem Niveau: Gehe in die Heizungsregelung und senke das Niveau um 1 °C. Warte drei Tage. Beobachte die Raumtemperatur in verschiedenen Räumen - besonders in Nordzimmern, oben im Haus und an Außenwänden. Wenn es nicht kälter wird, senke es nochmal um 1 °C. Wenn es zu kalt wird, gehst du einen Schritt zurück. Ziel: 19 °C statt 20 °C - und trotzdem warm genug.
- Prüfe bei kaltem Wetter: Wenn es draußen unter 0 °C ist, prüfe, ob die Heizung noch warm genug wird. Steht dein Wohnzimmer bei -8 °C Außentemperatur nur bei 18 °C? Dann ist die Neigung zu flach. Erhöhe sie um 0,1. Warte wieder drei Tage.
- Prüfe bei mildem Wetter: Bei +10 °C Außentemperatur sollte die Vorlauftemperatur nicht höher als 30-35 °C sein. Wenn sie bei 40 °C läuft, ist die Neigung zu steil - oder das Niveau zu hoch. Senke es um 0,1 oder 1 °C.
- Beobachte die Nachtabsenkung: Wenn deine Heizung nachts auf 16 °C absenkt, aber die Wohnung trotzdem warm bleibt, ist das gut. Wenn sie nicht abkühlt, ist die Vorlauftemperatur zu hoch. Das ist ein klarer Hinweis: Heizkurve runter.
Ein Tipp aus Klagenfurt: In unseren Häusern, oft aus den 70er Jahren mit Einzellüftung, reicht oft eine Neigung von 1,1 bis 1,3. Wer eine Wärmepumpe hat, sollte noch vorsichtiger sein - denn jede Senkung der Vorlauftemperatur um 5 °C verbessert die Jahresarbeitszahl (JAZ) um 0,3. Das ist eine Effizienzsteigerung von 10 Prozent. Und das macht sich direkt in der Stromrechnung bemerkbar.
Wann lohnt sich ein Profi?
Du kannst es selbst machen - aber nur, wenn du geduldig bist. Wenn du keine Zeit hast, oder deine Heizung kompliziert ist (z. B. mit mehreren Kreisläufen oder Fußbodenheizung), dann hol dir einen Fachmann.Die Kosten liegen zwischen 120 und 350 Euro - je nach Gebäudegröße und Komplexität. Aber: Die Bundesregierung fördert diese Optimierung mit bis zu 30 Prozent der Kosten, maximal 200 Euro. Das heißt: Du zahlst oft nur 80 bis 250 Euro. Und du bekommst eine schriftliche Bestätigung - die du später bei der Energieausweis-Erstellung oder bei Förderanträgen brauchst.
Ein hydraulischer Abgleich ist Voraussetzung. Wenn deine Heizkörper ungleichmäßig warm werden - manche heizen wie ein Ofen, andere sind kalt -, dann ist die Heizkurve egal. Die Leitung ist verstopft, die Pumpe falsch eingestellt. Erst wenn das Wasser gleichmäßig fließt, kann die Heizkurve richtig arbeiten.
Was du nicht erwarten solltest
Die Heizkurve ist kein Wundermittel. Sie kann nicht das kompensieren, was du in den letzten 30 Jahren nicht gemacht hast: Dämmen. Wenn dein Dach ungedämmt ist, deine Fenster alte Einfachverglasung haben, oder deine Außenwände nur 10 cm Dämmung haben - dann kannst du die Heizkurve noch so perfekt einstellen. Du wirst immer viel Energie verbrauchen.Die Heizkurve ist ein Baustein. Ein wichtiger, aber nur ein Baustein. Sie macht deine bestehende Heizung effizienter. Sie macht deine Wärmepumpe rentabler. Sie macht deine Heizkosten vorhersehbarer. Aber sie ersetzt keine Dämmung, keine Fenster, keine moderne Heizung.
Und: Keine App, kein KI-Regler ersetzt das Verständnis. Die neuesten Regler von Vaillant oder Bosch nutzen Wetterdaten und Lernalgorithmen - das ist toll. Aber wenn du die Grundlagen nicht kennst, vertraust du einer Black Box. Und die kann auch falsch lernen.
Was kommt als Nächstes?
Die Zukunft der Heizkurve ist intelligent. Bis 2025 soll der Anteil der optimal eingestellten Anlagen in Österreich von 45 auf 65 Prozent steigen. Die Bundesregierung will das mit Förderungen vorantreiben. Und die nächste Version des Leitfadens des Schweizer Bundesamts für Energie wird auch Wärmepumpen explizit berücksichtigen - denn dort ist die Heizkurve noch wichtiger als bei Gasheizungen.Wenn du jetzt anfängst, deine Heizkurve zu optimieren, sparst du nicht nur Geld. Du machst deine Wohnung angenehmer. Du reduzierst deinen CO₂-Fußabdruck. Und du bist ein Schritt weiter auf dem Weg zu einer echten Heizungsmodernisierung - nicht nur mit neuen Geräten, sondern mit klugem Umgang mit dem, was du schon hast.
Wie erkenne ich, ob meine Heizkurve zu hoch eingestellt ist?
Wenn deine Heizkörper auch bei mildem Wetter (über 10 °C Außentemperatur) heiß sind, oder wenn die Raumtemperatur in der Nacht nicht sinkt, obwohl du die Nachtabsenkung aktiviert hast, ist die Vorlauftemperatur zu hoch. Ein weiteres Zeichen: Hohe Heizkosten trotz niedriger Außentemperaturen. Dann ist deine Heizkurve wahrscheinlich zu steil oder das Niveau zu hoch.
Kann ich die Heizkurve mit meiner Smartphone-App einstellen?
Ja, wenn dein Heizungsregler mit einer App verbunden ist - wie z. B. von Vaillant, Bosch oder Junkers. Aber Achtung: Die App zeigt dir oft nur die Einstellungen an, aber nicht, ob sie richtig sind. Du musst trotzdem die Grundlagen verstehen: Neigung, Niveau, Solltemperatur. Die App erleichtert das Messen, aber nicht das Verstehen.
Warum ist die Heizkurve bei Wärmepumpen so wichtig?
Wärmepumpen arbeiten am effizientesten, wenn sie niedrige Vorlauftemperaturen haben. Jede Senkung der Vorlauftemperatur um 5 °C verbessert die Jahresarbeitszahl (JAZ) um 0,3 - das ist eine Effizienzsteigerung von etwa 10 Prozent. Eine zu hohe Heizkurve zwingt die Wärmepumpe, mit höherem Aufwand zu arbeiten - und das kostet mehr Strom. Deshalb ist die Heizkurvenoptimierung bei Wärmepumpen nicht optional, sondern essenziell.
Wie lange dauert es, bis ich die Einsparung sehe?
Du musst Geduld haben. Gebäude speichern Wärme. Nach einer Einstellung brauchst du mindestens drei bis fünf Tage, bis sich die Raumtemperatur stabilisiert hat. Die Einsparung in deiner Rechnung siehst du erst nach einem vollen Monat - besser nach zwei Monaten. Vergleiche die Verbrauchswerte mit dem gleichen Zeitraum des Vorjahres - das ist der einzige echte Maßstab.
Muss ich die Heizkurve jedes Jahr neu einstellen?
Normalerweise nicht. Wenn du sie einmal richtig eingestellt hast, bleibt sie jahrelang stabil - solange du keine großen Änderungen am Haus vornimmst (z. B. neue Fenster, Dämmung, Umzug in einen anderen Raum). Aber wenn du merkst, dass es kälter wird und die Heizung nicht mehr ausreicht, oder wenn du eine neue Heizung installierst, dann solltest du sie überprüfen.