Baulastenverzeichnis und Wegerechte: Was Immobilienkäufer unbedingt wissen müssen

Baulastenverzeichnis und Wegerechte: Was Immobilienkäufer unbedingt wissen müssen
Thomas Hofstätter 18 Dez 2025 0 Kommentare Recht und Gesetz

Beim Immobilienkauf denken die meisten Menschen an den Preis, die Lage oder die Ausstattung. Doch eine der wichtigsten, aber am häufigsten übersehenen Prüfungen ist das Baulastenverzeichnis. Wer dieses Dokument ignoriert, riskiert, dass sein geplanter Hausbau unmöglich wird, die Bebauung eingeschränkt ist oder der Wert der Immobilie sinkt - und das, obwohl er alles richtig gemacht hat. Die meisten Käufer schauen nur auf den Grundbuchauszug. Das reicht nicht.

Was ist das Baulastenverzeichnis?

Das Baulastenverzeichnis ist kein privates Vertragsdokument, sondern ein offizielles Register der Bauaufsichtsbehörden. Es listet öffentlich-rechtliche Verpflichtungen auf, die ein Grundstückseigentümer gegenüber der Gemeinde, dem Landkreis oder anderen Dritten eingegangen ist. Diese Verpflichtungen sind nicht freiwillig, sondern rechtlich bindend. Sie gelten für das Grundstück - und nicht für den Eigentümer. Das bedeutet: Selbst wenn du das Haus kaufst, übernimmst du automatisch alle Baulasten, die bereits eingetragen sind. Unwissenheit schützt nicht vor den Folgen.

Typische Eintragungen sind Zufahrtsbaulasten (Wegerechte), Abstandsflächenbaulasten oder Verpflichtungen zur Errichtung von Lärmschutzwänden. Ein Wegerecht als Baulast bedeutet zum Beispiel, dass du als Grundstückseigentümer einem Nachbarn das Recht einräumen musst, über dein Grundstück zu fahren - auch wenn du das gar nicht wolltest. Diese Verpflichtung bleibt bestehen, egal wer später Eigentümer wird.

Warum ist das Baulastenverzeichnis anders als das Grundbuch?

Viele Käufer verwechseln das Baulastenverzeichnis mit dem Grundbuch. Das ist ein schwerwiegender Fehler. Das Grundbuch zeigt, wem das Grundstück gehört, wer eine Hypothek hat oder wer eine private Dienstbarkeit (z. B. ein Wegerecht nach BGB) hat. Es geht um private Rechtsbeziehungen zwischen Eigentümern.

Das Baulastenverzeichnis dagegen dokumentiert Verpflichtungen gegenüber der öffentlichen Hand. Es ist kein Vertrag zwischen Nachbarn, sondern eine Anordnung der Bauaufsicht. Wer eine Baulast missachtet, macht sich nicht nur strafbar - er riskiert auch, dass die Behörde den Bau stoppt, eine Geldstrafe verhängt oder sogar den Abriss verlangt. Und das ohne Gerichtsverfahren. Die Behörde kann direkt durchgreifen.

Ein Beispiel: Du willst eine Garage bauen. Dein Grundstück hat eine Abstandsflächenbaulast: 3 Meter zur Nachbargrenze. Du baust trotzdem nur 2 Meter Abstand. Die Bauaufsicht kommt, stellt den Bau ein und verlangt, dass du die Garage zurückbaust. Kein Gericht nötig. Keine Verhandlung. Nur die Baulast und die Behörde.

Wegerechte als Baulast: Was du wirklich riskierst

Wegerechte sind die häufigste Art von Baulast. Sie erscheinen oft unscheinbar - aber sie können dein Grundstück komplett unbrauchbar machen. Stell dir vor: Du kaufst ein Grundstück, das als Baulast ein Zufahrtsrecht für ein angrenzendes, unbebautes Grundstück trägt. Der Nachbar hat kein Haus, aber ein Recht, mit Lkw, Baufahrzeugen oder mehreren Autos über dein Grundstück zu fahren. Du willst ein Einfamilienhaus bauen - aber die Zufahrt ist bereits verplant. Du kannst keine Einfahrt mehr anlegen. Keine Garage. Kein Carport. Und du kannst dich nicht dagegen wehren. Die Baulast ist da, und sie ist bindend.

Im Jahr 2023 hat das Deutsche Notarinstitut festgestellt: In 35 % aller Grundstücksverkäufe ist mindestens eine Baulast im Verzeichnis eingetragen. Bei Grundstücken am Rand von Siedlungen oder in ländlichen Gebieten liegt der Anteil sogar bei über 50 %. Hier gibt es oft alte, unbebaute Flächen, die über Jahrzehnte hinweg Zugangsrechte erhalten haben - und die jetzt auf dein Grundstück übergehen.

Ein Fall aus dem Immobilienforum: Ein Käufer in Brandenburg kaufte ein Grundstück, das eine Zufahrtsbaulast trug. Er wollte eine Garage bauen - doch die Baulast verlangte, dass die Einfahrt genau an einer Stelle liegen musste, die genau dort war, wo er die Garage geplant hatte. Er musste die Garage um 4 Meter versetzen, was zusätzliche Kosten von 12.000 Euro verursachte. Und er konnte nichts dagegen tun. Die Baulast war schon seit 1987 eingetragen.

Vergleich zwischen privatem Grundbuch und öffentlicher Baulast mit rechtlichen Symbolen.

Wie du das Baulastenverzeichnis prüfen musst - Schritt für Schritt

Die Prüfung des Baulastenverzeichnisses ist kein Luxus - sie ist eine Pflicht. Hier ist, was du tun musst:

  1. Identifiziere das zuständige Bauamt: Das ist meist das Rathaus oder das Landratsamt, in dem das Grundstück liegt. In größeren Städten gibt es oft ein eigenes Baurechtsamt.
  2. Beantrage den Auszug: Du kannst schriftlich, per E-Mail oder online (wenn verfügbar) einen Auszug anfordern. Du brauchst die Flurstücknummer oder die Adresse des Grundstücks. Der Antrag ist meist kostenlos oder kostet zwischen 10 und 25 Euro.
  3. Prüfe jede Eintragung genau: Lies nicht nur die Überschrift. Schaue dir die genaue Beschreibung an: Wer ist begünstigt? Was ist erlaubt? Wo genau liegt die Baulast? Gibt es Zeichnungen oder Lagepläne?
  4. Frage nach der Wirksamkeit: Ist die Baulast noch gültig? Wurde sie jemals gelöscht? Gibt es eine Frist? Die meisten Baulasten sind dauerhaft - aber manche sind zeitlich begrenzt.
  5. Verlange den Auszug vor dem Kaufvertrag: Mach das nicht nach dem Notartermin. Nimm den Auszug als Voraussetzung für den Kauf. Wenn du ihn nicht hast, unterschreibe nicht.

Die Auskunft dauert in der Regel 5 bis 7 Werktage. In manchen Kommunen ist sie online verfügbar - besonders in Nordrhein-Westfalen, Berlin oder Hamburg. In Bayern ist es anders: Dort werden Baulasten direkt ins Grundbuch eingetragen. Du musst also dort den Grundbuchauszug genau prüfen - und nicht nur das Baulastenverzeichnis.

Was passiert, wenn du die Baulast ignorierst?

Die Folgen sind schwerwiegend. Laut einem Gutachten von Christian Schöpf (2024) verringern Baulasten den Wert einer Immobilie um durchschnittlich 10 bis 15 %, wenn sie die Bebauung einschränken. Ein Käufer auf Trustpilot berichtete, dass eine nicht beachtete Abstandsflächenbaulast den Wert seiner Immobilie um 15 % senkte - weil er keine Garage bauen durfte. Der Verkauf nach drei Jahren war deutlich schwieriger.

Ein weiterer Fall: Ein Paar aus Sachsen kaufte ein Grundstück, das eine Baulast für einen öffentlichen Radweg trug. Sie planten, einen Gartenzaun zu bauen - doch der Zaun lag genau auf dem Wegerecht. Die Gemeinde verlangte den Abriss. Die Kosten: 8.000 Euro. Und sie konnten nicht einmal die Nachbarn verklagen - die Baulast war rechtlich bindend, und der Radweg war öffentlich.

Im Gegenzug kann eine Baulast auch Vorteile bringen. Ein Zufahrtsrecht, das dir selbst gehört, kann dir den Zugang zu einem abgelegenen Grundstück ermöglichen - ohne dass du einen teuren Weg bauen musst. Aber das ist die Ausnahme. Meist sind Baulasten Einschränkungen - und die meisten Käufer wissen das nicht.

Digitale Deutschlandkarte mit rot markierten Risikogebieten für Baulasten.

Die Digitalisierung: Was sich 2025 ändert

Ende 2024 sollen 70 % der deutschen Kommunen das Baulastenverzeichnis online verfügbar machen. Das ist eine große Verbesserung. Früher musst du persönlich ins Bauamt fahren. Heute kannst du den Auszug per E-Mail anfordern - oder sogar direkt im Webportal herunterladen. In einigen Bundesländern ist das bereits Standard.

Aber es gibt noch ein Problem: Die Bundesländer machen es unterschiedlich. Bayern ist die Ausnahme. Brandenburg hat erst 2016 wieder ein separates Verzeichnis eingeführt. In Nordrhein-Westfalen ist alles digital, in Sachsen noch halbwegs analog. Das macht grenzüberschreitende Käufe kompliziert. Ein Käufer aus Hamburg, der ein Grundstück in Bayern kauft, muss zwei Systeme verstehen - und das tun nur wenige.

Die Bauministerkonferenz hat 2022 beschlossen, die Baulastenverzeichnisse bis 2025 zu harmonisieren. Das ist gut. Aber bis dahin bleibt es ein Flickenteppich. Du musst dich selbst informieren - niemand sonst tut es für dich.

Was Immobilienmakler und Notare nicht sagen

Ein Immobilienmakler prüft oft nur den Grundbuchauszug. Ein Notar prüft den Kaufvertrag. Aber wer fragt nach der Baulast? Selten. Der Deutsche Notarverein hat 2024 eine Umfrage gemacht: 89 % der Käufer prüfen den Grundbuchauszug. Nur 42 % schauen ins Baulastenverzeichnis. Das ist ein riesiges Aufklärungsdefizit.

Die meisten Makler sagen: „Das ist kein Problem.“ Oder: „Das kommt doch nur selten vor.“ Das ist falsch. In 35 % der Fälle ist es vorhanden. Und wenn es da ist, ist es kein kleines Detail - es ist eine rechtliche Bombe.

Ein erfahrener Bauanwalt sagt es klar: „Wer das Baulastenverzeichnis nicht prüft, kauft nicht ein Haus - er kauft ein Risiko.“

Was du jetzt tun musst

Wenn du eine Immobilie kaufst - egal ob Haus, Grundstück oder Wohnung mit Grundstück - musst du:

  • Den Grundbuchauszug prüfen - das ist selbstverständlich.
  • Den Baulastenverzeichnis-Auszug anfordern - das ist Pflicht.
  • Die Eintragungen genau lesen - nicht nur überfliegen.
  • Den Kaufvertrag erst unterschreiben, wenn du den Auszug in Händen hast.
  • Bei Unsicherheiten einen Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht konsultieren.

Ein Baulastenverzeichnis-Auszug kostet 15 Euro. Ein falscher Kauf kann 20.000 Euro kosten. Das ist keine Frage des Geldes - das ist eine Frage der Vorsicht.

Dein Haus ist dein größter Vermögenswert. Prüfe alles. Nicht nur das, was sichtbar ist. Sondern auch das, was im Verzeichnis steht - und das, was dir keiner sagt.

Ist das Baulastenverzeichnis kostenlos einsehbar?

Ja, in den meisten Fällen. Die Auskunft aus dem Baulastenverzeichnis ist in den meisten deutschen Kommunen kostenlos oder kostet nur 10 bis 25 Euro. Du kannst sie beim zuständigen Bauamt, Rathaus oder Landratsamt anfordern - schriftlich, per E-Mail oder online, wenn das Angebot vorhanden ist.

Was passiert, wenn ich eine Baulast nicht beachte?

Die Bauaufsichtsbehörde kann den Bau sofort stoppen, eine Geldstrafe verhängen oder sogar den Abriss von Bauwerken verlangen - ohne Gerichtsverfahren. Du kannst dich nicht mit „Ich wusste es nicht“ herausreden. Die Baulast ist rechtlich bindend und bleibt auch bei Eigentümerwechsel bestehen.

Gibt es Baulasten auch für Wohnungen?

Ja, aber nur, wenn die Wohnung ein Grundstück mit eigenem Flurstück hat - etwa bei Einfamilienhäusern oder Reihenhäusern mit separatem Grundstück. Bei Eigentumswohnungen in Mehrfamilienhäusern sind Baulasten selten, da das gesamte Gebäude als Einheit gilt. Hier wird die Baulast meist im Grundbuch für das gesamte Grundstück eingetragen.

Wie lange dauert es, eine Baulast zu löschen?

Die Löschung einer Baulast ist kompliziert und dauert in der Regel bis zu 12 Wochen. Du musst einen Antrag beim Bauamt stellen, den Begünstigten einwilligen lassen und oft auch einen neuen Lageplan vorlegen. In vielen Fällen ist die Löschung unmöglich, wenn das Recht noch besteht - etwa wenn ein Nachbar weiterhin Zugang benötigt.

Warum ist Bayern anders?

In Bayern werden Baulasten nicht in einem separaten Verzeichnis, sondern direkt im Grundbuch eingetragen. Das bedeutet: Du musst den Grundbuchauszug besonders genau prüfen - und nicht nur das Baulastenverzeichnis. Das ist die einzige Ausnahme in Deutschland. In allen anderen Bundesländern gibt es ein eigenes Verzeichnis.

Kann ich eine Baulast verhandeln?

Nein, nicht als Käufer. Die Baulast ist eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung - sie ist nicht verhandelbar. Du kannst nur versuchen, den Kaufpreis zu senken, weil die Baulast den Wert mindert. Oder du verzichtest auf den Kauf. Ein Vertrag mit dem Nachbarn ändert nichts an der Baulast - sie bleibt bestehen, solange die Behörde sie nicht löscht.