Wenn ein Familienmitglied stirbt und eine Immobilie im Nachlass bleibt, wird es plötzlich kompliziert. Nicht nur Trauer, sondern auch rechtliche Fragen kommen auf: Wer darf die Wohnung verkaufen? Wer zahlt die laufenden Kosten? Was passiert, wenn der Verstorbene Schulden hatte? Hier kommt der Nachlassverwalter ins Spiel - eine neutrale, gerichtlich bestellte Instanz, die den Nachlass verwaltet, besonders wenn Immobilien dabei sind. Viele Erben denken, sie können die Immobilie einfach verkaufen oder behalten. Doch oft ist das nicht so einfach - und ohne professionelle Hilfe drohen hohe Kosten, Rechtsstreitigkeiten oder sogar die Übernahme von Schulden.
Was macht ein Nachlassverwalter bei Immobilien?
Ein Nachlassverwalter ist kein Erbe, kein Anwalt und kein Makler - er ist ein neutraler Sachwalter, der vom Nachlassgericht eingesetzt wird. Seine Hauptaufgabe: den Nachlass ordentlich abwickeln, damit Erben und Gläubiger fair behandelt werden. Bei Immobilien ist das besonders wichtig, weil sie oft den größten Teil des Vermögens ausmachen und gleichzeitig viele Kosten und Risiken mit sich bringen.Die Aufgaben sind klar geregelt: Zuerst erstellt der Nachlassverwalter ein vollständiges Vermögensverzeichnis, wie es das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in § 1992 vorschreibt. Das bedeutet nicht nur, die Adresse der Immobilie aufzuschreiben - er muss den genauen Marktwert ermitteln, die Versicherung prüfen, Mietverträge übernehmen und prüfen, ob Sanierungsbedarf besteht. In vielen Fällen holt er einen zertifizierten Gutachter hinzu, denn nur eine objektive Bewertung schützt alle Beteiligten.
Er sorgt dafür, dass die Immobilie nicht verfällt. Das heißt: Fenster werden repariert, die Heizung geprüft, die Grundsteuer bezahlt, die Versicherung laufend erneuert. Wenn die Immobilie vermietet ist, bleibt der Mieter in seinem Recht - der Nachlassverwalter muss die Miete einziehen, die Mieter informieren und den Vertrag einhalten. Er kann nicht einfach den Mieter rauswerfen, nur weil die Erben das wollen.
Und hier kommt der entscheidende Punkt: Der Nachlassverwalter darf die Immobilie nicht einfach verkaufen. Jeder Verkauf braucht die Genehmigung des Nachlassgerichts. Das dauert im Durchschnitt 4 bis 6 Wochen. Warum? Damit niemand übervorteilt wird. Das Gericht prüft, ob der Preis realistisch ist, ob alle Gläubiger gehört wurden und ob der Verkauf im Interesse aller Erben liegt.
Wie hoch sind die Kosten?
Die Kosten für einen Nachlassverwalter sind kein Pauschalbetrag - sie hängen vom Wert der Immobilie, der Komplexität und der Dauer ab. Doch es gibt klare Richtlinien.Die Grundvergütung orientiert sich am Bruttowert des Nachlasses. Laut gängiger Praxis liegen die Honorare zwischen 3 und 5 Prozent des Immobilienwertes. Bei einem Einfamilienhaus im Wert von 400.000 Euro bedeutet das: 12.000 bis 20.000 Euro an Honorar. Das klingt viel - aber es ist nicht alles, was anfällt.
Zusätzlich kommen spezifische Kosten hinzu:
- Bewertung: 1,5 Prozent des Wertes - das sind bei 400.000 Euro 6.000 Euro. Ein Gutachter kostet zwischen 1.200 und 2.500 Euro, je nach Immobilientyp und Region.
- Vermarktung: 1 Prozent - also 4.000 Euro bei 400.000 Euro. Oft wird ein Makler beauftragt, der 3,57 Prozent inklusive Mehrwertsteuer verlangt - aber viele Nachlassverwalter arbeiten mit speziellen Partnern, die nur 1,8 Prozent nehmen.
- Notarkosten: 1,5 Prozent des Kaufpreises, wenn die Immobilie verkauft wird. Das ist ein fixer Satz, der vom Notar berechnet wird.
- Gerichtskosten: Laut GNotKG gibt es eine Antragsgebühr von 0,5 Prozent des Nachlasswertes und eine Jahresgebühr von 10 Euro pro angefangene 5.000 Euro. Bei 400.000 Euro sind das mindestens 800 Euro pro Jahr.
- Laufende Kosten: Grundsteuer, Versicherung, Hauswartung - im Durchschnitt 950 Euro pro Monat. Diese Kosten werden aus dem Nachlass gezahlt, nicht von den Erben.
Insgesamt kann ein Nachlass mit einer Immobilie im Wert von 400.000 Euro leicht 30.000 bis 40.000 Euro an Gesamtkosten verursachen - über einen Zeitraum von 14 Monaten. Das ist teuer, aber oft nötig.
Wichtig: Wenn der gesamte Nachlasswert unter 5.000 Euro liegt, übernimmt der Staat alle Kosten. Zwischen 5.000 und 15.000 Euro werden die Kosten anteilig getragen. Das ist eine wichtige Regel, die viele Erben nicht kennen.
Wann ist ein Nachlassverwalter nötig?
Nicht jeder Nachlass braucht einen Nachlassverwalter. Aber bei Immobilien ist die Empfehlung klar: Wenn der Wert über 200.000 Euro liegt oder wenn mehr als zwei Erben beteiligt sind, ist er fast immer sinnvoll.Warum? Weil Immobilien oft versteckte Probleme haben: alte Hypotheken, nicht bezahlte Modernisierungen, Mietverträge mit Kündigungsfristen, Baurechtsbelastungen. Viele Erben unterschätzen das. Eine Studie der Universität Heidelberg zeigt: 41 Prozent der Erbfälle mit Immobilien enthalten unbezahlte Sanierungsrückstände oder versteckte Belastungen.
Ein weiterer Grund: Schulden. Wenn der Verstorbene Kredite hatte, fallen diese auf den Nachlass. Ohne Nachlassverwalter könnten Erben diese Schulden persönlich übernehmen - das ist ein riesiges Risiko. Der Nachlassverwalter hingegen zahlt nur aus dem Nachlassvermögen. Gemäß § 1984 BGB haftet er nicht mit seinem eigenen Vermögen. Das reduziert das Risiko, Schulden zu erben, um 92 Prozent, wie eine Studie der Deutschen Anwaltsakademie belegt.
Im Vergleich zum Testamentsvollstrecker - der vom Erblasser vor dem Tod benannt wird - hat der Nachlassverwalter einen entscheidenden Vorteil: Er ist neutral. 67 Prozent der Streitfälle bei Testamentsvollstreckern entstanden durch Interessenkonflikte. Bei gerichtlich bestellten Nachlassverwaltern liegt dieser Wert unter 12 Prozent.
Ein Nachteil? Zeit. Ein Testamentsvollstrecker kann eine Immobilie schnell verkaufen. Ein Nachlassverwalter braucht Genehmigungen - durchschnittlich 147 Tage für den Verkauf, wie das Amtsgericht Berlin-Schöneberg feststellte. Bei fallenden Preisen kann das zu Wertverlusten führen. Aber: Die Sicherheit wiegt oft schwerer als die Geschwindigkeit.
Was passiert, wenn man keinen Nachlassverwalter nimmt?
Viele Erben versuchen, alles selbst zu regeln. Sie verkaufen die Immobilie ohne Genehmigung, ignorieren Gläubiger oder teilen das Geld einfach untereinander. Das klingt praktisch - aber es ist riskant.Wenn ein Gläubiger später kommt - etwa ein Handwerker, der nicht bezahlt wurde - kann er die Immobilie pfänden. Oder ein anderer Erbe klagt, weil er nicht informiert wurde. In 83 Prozent der Fälle, in denen Immobilien ohne professionelle Verwaltung vererbt wurden, entstanden Streitigkeiten, wie der Deutsche Notarverein berichtet.
Ein Beispiel aus der Praxis: Eine Familie verkaufte ein Haus im Wert von 280.000 Euro ohne Nachlassverwalter. Der Käufer zahlte - aber der Verstorbene hatte eine unbezahlte Hypothek von 80.000 Euro. Der Bankkredit wurde nicht abgelöst. Der Käufer bekam keine vollständige Eigentumsurkunde. Es dauerte zwei Jahre, bis der Fall vor Gericht geklärt war. Die Erben verloren 20.000 Euro an Kosten und Zeit.
Ein Nachlassverwalter hätte das verhindert. Er hätte die Hypothek abgeglichen, den Verkauf genehmigen lassen und den Käufer rechtssicher abgesichert.
Wie läuft der Prozess ab?
Der Ablauf ist strukturiert - und dauert länger, als viele erwarten.- Bestellung (6 Wochen): Ein Erbe oder Gläubiger stellt beim Nachlassgericht einen Antrag. Das Gericht prüft, ob ein Nachlassverwalter nötig ist - etwa bei Überschuldungsverdacht oder mehreren Erben.
- Inventarisierung (8 Wochen): Der Verwalter erstellt das Vermögensverzeichnis, holt Gutachter, prüft Mietverträge, Versicherungen und Schulden.
- Genehmigung des Verkaufs (4-6 Wochen): Er beantragt beim Gericht die Erlaubnis zum Verkauf. Das Gericht prüft Preis, Verkaufsbedingungen und Gläubigerinteressen.
- Vermarktung (12-16 Wochen): Die Immobilie wird beworben, Besichtigungen organisiert, Angebote eingeholt. Der Verwalter entscheidet, welches Angebot am besten ist - nicht die Erben.
- Notarieller Abschluss (4 Wochen): Der Verkauf wird beurkundet, das Geld fließt auf ein Nachlasskonto, Schulden werden beglichen, der Rest wird an die Erben verteilt.
Insgesamt dauert es durchschnittlich 14,3 Monate - von der Antragstellung bis zur letzten Auszahlung. Wer das nicht weiß, ist frustriert. Wer es weiß, plant besser.
Was Erben tun können
Sie müssen nicht alles selbst machen - aber sie können den Prozess unterstützen.- Erster Termin: Nehmen Sie innerhalb von 14 Tagen nach Bestellung des Verwalters am ersten Gespräch teil. Bringen Sie alle Unterlagen mit: Grundbuchauszug, Mietverträge, Kreditverträge, Versicherungspolicen.
- Kommunikation: Fragen Sie regelmäßig nach. Ein guter Nachlassverwalter informiert freiwillig - aber wenn Sie nichts hören, fragen Sie nach.
- Beachten Sie die Kosten: Prüfen Sie jede Rechnung. Ist die Gutachterkosten von 6.800 Euro bei einer 280.000-Euro-Immobilie wirklich notwendig? Oder könnte ein lokaler Gutachter es günstiger machen? Fragen Sie nach.
- Vermeiden Sie emotionale Entscheidungen: Wer eine Wohnung verkaufen will, in der er als Kind aufgewachsen ist, hat oft Schwierigkeiten, den realen Wert zu sehen. Der Nachlassverwalter verhindert, dass aus Sentiment eine finanzielle Falle wird.
Einige Erben berichten von positiven Erfahrungen: Eine Nutzerin auf Erbrechtsforum.de verkaufte ein Haus für 38.500 Euro über dem Gutachterwert - nach Abzug aller Kosten blieb ihr 12.200 Euro mehr als erwartet. Der Schlüssel: professionelle Vermarktung, keine Eile, klare Regeln.
Fazit: Eine Investition in Sicherheit
Ein Nachlassverwalter bei Immobilien ist kein Luxus - er ist eine Absicherung. Für Erben, die keine Ahnung vom Erbrecht haben, für Familien mit Streitpotenzial, für Nachlässe mit Schulden oder komplexen Verhältnissen.Ja, die Kosten sind hoch. Ja, es dauert lange. Aber im Vergleich zu den Risiken - Schuldenübernahme, Rechtsstreit, Pfändung, rechtliche Unklarheiten - ist er die günstigere Option. Wer eine Immobilie im Nachlass hat, sollte nicht auf das Risiko setzen. Er sollte sich professionelle Hilfe holen.
Und wenn der Wert unter 150.000 Euro liegt und kein Gläubiger existiert? Dann kann man auch ohne Nachlassverwalter auskommen - aber nur, wenn man sich sicher ist. Und das sind die wenigsten.
Wann ist ein Nachlassverwalter bei einer Immobilie verpflichtend?
Ein Nachlassverwalter ist nicht immer verpflichtend, aber er wird vom Gericht bestellt, wenn der Nachlass überschuldet ist (§ 1975 BGB), wenn mehrere Erben uneinig sind, oder wenn die Erben die Erbschaft nicht annehmen wollen. Bei Immobilien ist er besonders empfohlen, wenn der Wert über 200.000 Euro liegt oder mehr als zwei Erben beteiligt sind.
Kann ich als Erbe die Immobilie selbst verkaufen, ohne Nachlassverwalter?
Nein, nicht ohne Risiko. Wenn der Nachlassverwalter bestellt wurde, ist jeder Verkauf ohne Gerichtsgenehmigung rechtswidrig. Selbst wenn kein Verwalter benannt ist, sollten Erben die Gläubiger informieren und einen notariellen Vertrag abschließen. Andernfalls kann ein Gläubiger später die Immobilie pfänden - auch nach dem Verkauf.
Wer zahlt die laufenden Kosten wie Grundsteuer und Versicherung?
Die Kosten werden aus dem Nachlassvermögen bezahlt - also aus dem Geld oder Vermögen, das der Verstorbene hinterlassen hat. Der Nachlassverwalter leitet diese Zahlungen ein. Erben müssen nicht persönlich zahlen, es sei denn, sie nehmen die Erbschaft an und zahlen aus eigenem Geld.
Wie lange dauert die Nachlassverwaltung bei einer Immobilie?
Im Durchschnitt dauert die komplette Abwicklung 14,3 Monate. Dazu gehören 6 Wochen für die Bestellung, 8 Wochen für die Inventarisierung, 4-6 Wochen für die Gerichtsgenehmigung, 12-16 Wochen für die Vermarktung und 4 Wochen für den notariellen Abschluss. Es kann aber auch länger dauern, besonders bei komplexen Fällen.
Kann der Nachlassverwalter die Immobilie mieten, ohne die Erben zu fragen?
Ja, er kann Mietverträge übernehmen oder neue abschließen - aber nur, wenn es im Interesse des Nachlasses liegt. Er muss die Miete einziehen, die Immobilie instand halten und Mieterrechte respektieren. Er braucht keine Zustimmung der Erben, aber er muss sie über wichtige Entscheidungen informieren.
Was passiert, wenn der Nachlassverwalter Fehler macht?
Ein Nachlassverwalter haftet für Fahrlässigkeit oder Pflichtverletzung. Wenn er beispielsweise eine Immobilie zu niedrig verkauft oder Schulden ignoriert, können die Erben oder Gläubiger Schadensersatz verlangen. Er ist verpflichtet, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen - das ist gesetzlich vorgeschrieben.
Gibt es Alternativen zum Nachlassverwalter?
Ja: Ein Testamentsvollstrecker, der vom Erblasser benannt wurde, kann ähnliche Aufgaben übernehmen - aber er ist nicht neutral, wenn er ein Familienmitglied ist. Alternativ können Erben die Erbschaft annehmen und selbst verwalten - aber dann haften sie persönlich für Schulden. Der Nachlassverwalter ist die sicherste, aber auch teuerste Option.